Rede von Präsidentin von der Leyen auf dem Hauptstadtkongress für Medizin und Gesundheit

Met dank overgenomen van Europese Commissie (EC) i, gepubliceerd op dinsdag 15 juni 2021.

Sehr geehrter Professor Einhäupl,

sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, heute zu Ihnen beim Hauptstadtkongress für Medizin und Gesundheit zu sprechen; auch, wenn es wegen der Pandemie nur virtuell möglich ist. Der Kongress ist seit 20 Jahren ein fester Termin im Kalender all derer, die beruflich mit dem Gesundheitswesen zu tun haben. Und es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass Ihr Augenmerk in diesen Tagen auf Europa fällt.

Denn die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen ist. Ich weiß, dass es zu Beginn Zweifel gab, ob einzelne Staaten allein nicht besser gerüstet wären, um in Krisenzeiten zu agieren. Oder, dass eine Gemeinschaft aus 27 Mitgliedsstaaten zu langsam sein könnte, um die Krise in den Griff zu bekommen.

Doch wenn uns diese Jahrhundert-Pandemie eines gezeigt hat, dann das: Gegen ein Virus, das vor Grenzen nicht Halt macht, helfen keine Schlagbäume und auch keine nationalen Alleingänge. Denn in dieser Pandemie sind wir erst sicher, wenn alle sicher sind.

Darüber will ich heute mit Ihnen sprechen: Über unser großes europäisches Engagement in der Pandemie, über die Lehren, die wir aus den vergangenen Monaten ziehen werden und über den Weg nach vorne. Hin zu einer europäischen Gesundheitsunion. Denn es darf nicht noch einmal geschehen, dass eine Pandemie die ganze Welt weitgehend unvorbereitet trifft.

Es ist ja richtig: Die Europäische Union wurde nicht dafür konzipiert, mit einer großen Gesundheitskrise fertig zu werden. Und trotzdem hat sie in den vergangenen Monaten gezeigt, was sie in Krisenzeiten leisten kann. Für ihre Bürgerinnen und Bürger. Und für den Rest der Welt.

Ich erinnere mich noch lebhaft an die frühen Tage der Pandemie. Einige Mitgliedstaaten hatten Exportverbote für medizinische Geräte verhängt. Andere schlossen ihre Grenzen. Europa hat den freien Warenverkehr in unserem Binnenmarkt wiederhergestellt. Wir haben dafür gesorgt, dass die Verbote aufgehoben wurden und medizinische Geräte dorthin gelangen konnten, wo sie gebraucht wurden. Und, wohl am wichtigsten: Wir haben beschlossen, für alle in unserer Union gemeinsam Impfstoffe zu beschaffen. Das war die richtige Entscheidung.

Denn ich will mir gar nicht ausmalen, was es bedeutet hätte, wenn sich einige große Mitgliedstaaten ihre Impfstoffe gesichert hätten, während der Rest, all die kleinen und mittleren Mitgliedstaaten, leer ausgegangen wären. Das hätte unseren Binnenmarkt gelähmt und unsere europäische Einheit zerrissen.

Heute sind die enormen Vorteile, die unser gemeinschaftlicher Ansatz mit sich bringt, für jeden offensichtlich. Unsere europäische Impfkampagne ist ein Erfolg. Europa hat die Anfangsschwierigkeiten bewältigt und liefert jetzt Woche für Woche breit und mit steigendem Tempo. Wir haben ausgebliebene Lieferungen ausgeglichen, eng mit den Impfstoffherstellern zusammengearbeitet und dazu gelernt.

Denn was am Ende zählt, sind nicht die schrillen Schlagzeilen oder schräge Vergleiche mit anderen Ländern. Was am Ende zählt, ist der verlässliche Weg aus der Krise für die ganze Gemeinschaft.

Lassen Sie uns daher kurz auf die Zahlen blicken:

Bis heute wurden in Europa mehr als 320 Millionen Impfdosen ausgeliefert. Und mehr als 280 Millionen Menschen haben mindestens eine Impfung erhalten. Jede Sekunde werden in Europa 40 Bürgerinnen und Bürger geimpft. Das bedeutet, dass bis zum Ende meiner Rede mehr als 30 000 Menschen zusätzlich geimpft sein werden.

Wir werden also unser großes Ziel zusammen erreichen: Bis Ende kommenden Monats wollen wir genug Impfdosen geliefert haben, um 70 Prozent der Erwachsenen in der EU ein Impfangebot zu machen.

Manche mögen sagen: Länder wie die USA und das Vereinigte Königreich waren am Anfang schneller. Aber ich sage: Europa hat diesen Erfolg für seine Bürgerinnen und Bürger in allen Mitgliedsstaaten erzielt - und ist gleichzeitig fair und offen zum Rest der Welt geblieben. Andere haben ihre Impfstoffproduktion ausschließlich für sich behalten.

Europa dagegen hat fast ebenso so viele Millionen Impfdosen zum Export in den Rest der Welt genehmigt, wie es für die eigene Bevölkerung geliefert hat.

Das hilft, die Pandemie weltweit zu besiegen. Und es schützt uns vor Varianten aus anderen Ländern, die unsere Impferfolge gefährden könnten. Europa ist die einzige Region der Welt, die die eigene Bevölkerung versorgt und gleichzeitig Impfstoffe in ähnlichem Umfang exportiert. Und wir laden andere ein, unserem Beispiel zu folgen.

Exporte von Impfstoffen sind wichtig. Ebenso wichtig ist die Unterstützung der COVAX-Initiative. Hier finanzieren wohlhabende Länder Impfstoffe für ärmere Länder. Aber solange andere Regionen wie Afrika nicht in die Lage versetzt werden, eigene Impfstoffproduktionen aufzubauen, bleibt die Unsicherheit der Abhängigkeit von anderen. Deshalb haben wir als Team Europe mit einer Initiative begonnen, mit Afrika eigene Kapazitäten für Impfstoffe aufzubauen. Die Kommission, mehrere Mitgliedsstaaten und europäische Finanzinstitute investieren eine Milliarde Euro.

Es geht um den Aufbau einer Afrikanischen Medizinagentur und darum, das Personal auszubilden. Und die Pharmafirmen beteiligen sich mit Wissenstransfer. So haben wir das beim G20-Gesundheitsgipfel in Rom vor zwei Wochen verabredet. Impfstoffe müssen künftig überall hergestellt werden, wo sie im Fall einer globalen Krise gebraucht werden. Aus diesem Grund werden wir im Rahmen der Welthandelsorganisation einen Vorschlag vorlegen, um Lizenzen für die Impfstoffherstellung im Notfall effektiver teilen zu können. Patentrecht muss geschützt sein, denn das ist ein Grundprinzip der Forschung. Und daran werden wir nicht rütteln. Trotzdem müssen Lizenzen angeboten werden. Und in Krisenzeiten verpflichtend zu akzeptablen Preisen. Denn Hilfe für andere und Schutz für uns selbst - das geht in der Pandemie Hand in Hand.

Meine Damen und Herren,

mittlerweile haben wir uns an das Impftempo der vergangenen Wochen gewöhnt. Trotzdem sollten wir uns darüber im Klaren sein: so etwas hat Europa noch nie gesehen. Eine Massenimpfkampagne im kontinentalen Maßstab.

Und ich möchte allen danken, die dafür rund um die Uhr gearbeitet haben. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gesundheitsämtern. Den Ärztinnen und Ärzten. Dem Pflegepersonal in Impfzentren, Krankenhäusern und Arztpraxen. Und natürlich der Wissenschaft und allen, die mitgeholfen haben, dass wir nach vorne schauen können.

Und wir können stolz darauf sein, dass die neue, erfolgreiche mRNA-Technologie "Made in Europe" und "Made in Germany" ist.

Sie ist das Ergebnis der Leidenschaft, Kreativität und Ausdauer von Forscherinnen und Unternehmern wie Özlem Türeci und Uğur Şahin. Und sie ist auch das Ergebnis einer bunten und leistungsfähigen europäischen Forschungslandschaft, die auf der Welt ihresgleichen sucht. Einer Forschungslandschaft, die Europa mit seinen Milliarden-Programmen Horizon Europe und InvestEU über viele Jahre mit aufgebaut und unterstützt hat.

Diese Investitionen zahlen sich jetzt aus. Das gilt auch für unsere Planungen für die Zukunft. Wir brauchen Auffrischungsimpfungen. Wir wollen Kindern und Jugendlichen ein Impfangebot machen. Und wir müssen bei gefährlichen Mutationen rasch mit adaptierten Impfstoffen reagieren können.

Daher haben wir einen weiteren Vertrag geschlossen. BioNTech-Pfizer wird bis zu 1,8 Milliarden Dosen Impfstoff in den Jahren 2022 und 2023 liefern. Für 450 Millionen Europäerinnen und Europäer, und auch für unsere Nachbarschaft. Das ist der größte Impfstoffvertrag weltweit. Und Europas Lebensversicherung gegen eine Dauerkrise.

Und das ist auch die Philosophie, die uns leitet, wenn wir über diese Pandemie hinausdenken. Denn es gibt nicht wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die davor warnen, dass wir am Beginn eines Zeitalters der Pandemien stehen könnten. Wir wollen daher eine europäische Gesundheitsunion in die Lage versetzen, schneller auf große Herausforderungen zu reagieren. Ich gebe Ihnen vier Beispiele:

Erstens, ein besseres Frühwarnsystem. Ein gestärktes europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten soll neu entstehende Virus-Varianten genau überwachen - in Europa und schon bald mit der ganzen Welt vernetzt.

Zweitens wollen wir die Prozesse bei der EMA, der Europäischen Arzneimittelbehörde, beschleunigen. Wir nehmen uns beispielsweise vor, dass bis Ende des Jahres bis zu fünf neue Medikamente zur Behandlung von COVID-19 eine Marktzulassung erhalten. Es geht dabei vor allem um dringend benötigte Arzneimittel gegen die Folgen von „Long Covid“. Denn über all dem Erfolg der Impfungen dürfen wir nicht vergessen, dass noch immer viele Menschen schwer an COVID-19 und seinen Folgen leiden.

Gleichzeitig richten wir unsere Pharma- und unsere Industriestrategien auf verstärkte Krisentauglichkeit aus. Das ist der dritte Punkt. Wir nennen das Projekt HERA. HERA soll sicherstellen, dass Biotechunternehmen, Impfstoffhersteller und die Behörden in der EU effizienter zusammenarbeiten. Und wir brauchen sichere und solide Lieferketten für Rohstoffe und genügend eigene Produktions-Kapazitäten. Diese bauen wir mit HERA auf, um Impfstoffe notfalls möglichst rasch in Europa herstellen zu können.

Schließlich helfen wir, mein vierter Punkt, den EU Mitgliedstaaten, ihre Gesundheitssysteme zu stärken, insbesondere durch ihre Digitalisierung. Der Aufbau eines robusten, schnellen medizinischen Daten- und Informationssystems in Europa ist längst überfällig. Auch das hat uns die Pandemie gelehrt. Im neuen EU-Budget haben wir die Mittel für die Gesundheitsunion verfünffacht. Und für die allgemeine Digitalisierung investieren wir 360 Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren,

Gesundheitspolitik ist heute nicht mehr allein die Aufgabe von Nationalstaaten. Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie sinnvoll es ist, eng zusammenzuarbeiten. Und sie haben gezeigt, was Europa leisten kann, wenn es einig ist. Unsere europäische Impfkampagne ist heute ein Vorbild für die Welt. Darauf wollen wir aufbauen.

Denn bei der nächsten Pandemie müssen wir vorbereitet sein. Überall in Europa und global.

Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen anregende Diskussionen und dem Hauptstadtkongress viel Erfolg!

Vielen Dank!